Nun möchte ich mich hier nicht nur über meine täglichen Gewohnheiten auslassen, sondern will auch etwas theoretisches Wissen weiter geben, dass ich dabei erwerbe.
Das erste Thema hierbei ist Prokrastination, da ich davon aktuell am meisten Ahnung habe (nicht nur praktisch, sondern tatsächlich auch theoretisch).
Der Begriff Prokrastination wurde 1588 das erste Mal in England erwähnt und stammt aus dem lateinischen, pro wie für und cras wie morgen. Dabei bezieht sich „morgen“ im seltensten Fall auf den nächsten Tag, sondern viel mehr auf einen nicht näher benannten Zeitpunkt in der Zukunft. Der Ausdruck umschreibt das wiederholte Verlegen einer erforderlichen Maßnahme in die Zukunft auf Grund eines Mangels oder Fehlens einer selbstregulatorischen Leistung, die notwendig wäre, um die Handlung sofort auszuführen. Oder kurz zusammengefasst: Man kann sich einfach nicht aufraffen etwas zu tun. Aufschieben kann man quasi alles vom Aufräumen bis zur Steuererklärung. Die meisten Prokrastinierer finden sich geisteswissenschaftlichen Studenten, vertreten sind sie jedoch kreuz und quer durch alle Bevölkerungsschichten.
Es gibt zwei verschiedene Typen von Prokrastination. Der ursprüngliche, passive Typ kann sich nicht aufraffen anzufangen, driftet dahin und schafft es nicht seine Aufgaben zu erledigen. Dadurch erfährt er Ängste, wird depressiv, hat schlechte Leistungen an der Uni oder im Beruf, hat ein schlechtes Zeitmanagement und leidet an Schlafstörungen, Stress oder Hoffnungslosigkeit. Der zweite Typ ist der aktive. Dieser entscheidet sich bewusst dazu Aufgaben jetzt liegen zu lassen und ist dadurch flexibel in seiner Zeitgestaltung. Er kann die Dauer, die er für die Bewältigung einer Aufgabe benötigt, sehr gut abschätzen und liebt den Druck durch eine bevorstehende Deadline, die seine Motivation und seine Leistung deutlich steigert. Mit diesem Verhalten ist er sehr zufrieden.
Ursachen für prokrastinatives Verhalten findet sich zum einen in der Überforderung. Die ganze Flut von Informationen, Kontakten, Input, Technik, usw., die auf uns herein bricht, kann zu viel für uns werden. Dann blenden wir diese einfach mit den damit verbundenen Aufgaben aus und schieben diese automatisch vor uns her. Da erweist es sich als nützlich, sein Leben aufzuräumen und das zu entrümpeln, was man nicht benötigt. Als zweite Hauptursache finden sich Präferenzprobleme. Zum einen kann es attraktiver sein Dinge morgen zu erledigen als heute, um dann morgen festzustellen, dass es einem jetzt lieber wäre, man hätte sie gestern schon erledigt. Damit wird der Aufgabenzeitpunkt konsequent verschoben. Zum anderen kann man sich langfristige Ziele setzen, zum Beispiel das Bestehen einer Prüfung in drei Monaten, um dann aber fest zu stellen, dass es heute noch attraktiver ist, Computer zu spielen, weil dieser Wert unmittelbar greifbar ist. Der Wert der bestandenen Prüfung hingegen ist noch abstrakt und gering und deswegen tun wir heute dafür noch nichts oder nur wenig. Hier erweist es sich als nützlich, sich klar darüber zu werden, was man eigentlich will, und das dann auch zu tun.
Was kann man dagegen tun? Man will dem ja nicht hilflos ausgeliefert sein. Wenn man vorher schon einmal etwas aufgeschoben hat, hilft es, sich dies zu vergeben. Das ist gar nicht so schwer, wenn man sich ein paar Minuten Zeit nimmt, um darüber nachzudenken. Dadurch reduziert man negative Emotionen in Bezug auf die Erwartung der Prokrastination der nächsten Aufgabe und erleichtert es sich damit diese zu beginnen. Viele Aufgaben erscheinen groß, komplex und unüberschaubar. Dann ist es hilfreich sie in kleine Einzelheiten zu zerlegen, die einfach zu erledigen sind. Keep it small and simple - kiss. Auch Deadlines sind sehr hilfreich, da das Aufschieben dann irgendwann mal ein Ende haben muss. Zusätzlich ist es auch nützlich, sich selbst gesetzte Zwischendeadlines zu wählen, die dem Umfang der einzelnen Aufgabenteile entsprechen.
Prokrastination kann hinderlich sein, muss es aber nicht. Falls es das ist, sollte man sich Gedanken dazu machen, was man wirklich will, das gut strukturieren, Störelemente ausräumen und daran arbeiten. Falls es das nicht ist, kann man einfach so weiter machen wie bisher.
Ein schönes Buch, in dem viele Aspekte von Prokrastination sehr frisch und locker beschrieben sind, ist "Dinge geregelt kriegen - ohne einen Funken Selbstdisziplin" von Passig und Lobo.
Natürlich gibt es zu dem Thema auch Comics:
